Große

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Als Große bezeichnet man in der Geschichtswissenschaft die (durchaus heterogene) Führungsschicht eines Reiches, eines Fürstentums oder einer sozialen Gruppe vor allem dann, wenn diese nicht fest umrissen ist.

Besonders häufig wird der Begriff auf die Führungsspitze in Reichen des Früh- und Hochmittelalters angewendet, deren innere Struktur noch wenig gefestigt war oder nicht detailliert überliefert ist. In den mittelalterlichen Quellen finden sich mehrere lateinische Begriffe für Angehörige des Adels, die etwa als nobiles, potentes, proceres und optimates bezeichnet werden.[1] In der modernen Mittelalterforschung wird der Begriff „Große“ allgemein hinsichtlich der führenden weltlichen und geistlichen Spitzenschicht benutzt.[2]

Im Ostfrankenreich und im frühen Heiligen Römischen Reich wählten die Großen den König und nahmen als Berater, Verbündete und ausführende Organe Einfluss auf dessen Machtausübung. Herrschaft war in diesem Zusammenhang zunächst personell und nicht institutionell begründet. Der König und die Großen des Reiches standen in einer wechselseitigen politischen Beziehung, wobei Rang und Ansehen von Bedeutung waren. Einfluss gewannen besonders die Großen im näheren Umkreis des Königs, wobei die Konsensherstellung ein wichtiger Faktor war (konsensuale Herrschaft).[3] Mit der verbindlichen Regelung des Wahlverfahrens durch die Goldene Bulle und der Herausbildung von Höfen und Beamtenstrukturen verschwand die Bedeutung dieser Großen, wenngleich einflussreiche Landesherren weiterhin eine wichtige Rolle in der Reichspolitik spielten. Für das Spätmittelalter wird von den geistlichen und weltlichen Reichsfürsten gesprochen.

  1. Siehe schon Heinrich Brunner: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig 1887, S. 251; vgl. auch Thomas Zotz: Adel, Oberschicht, Freie. Zur Terminologie der frühmittelalterlichen Sozialgeschichte. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 125 (N.F. 86), 1977, S. 3–20. Zu diversen Bezeichnungen und der Entwicklung der „Oberschicht“ siehe zusammenfassend Werner Hechberger: Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter. München 2010, S. 7ff.
  2. Vgl. als Beispiele etwa: Egon Boshof: Die Salier. 5. aktualisierte Auflage. Stuttgart 2008, S. 64, S. 68 und passim; Hans Peter Drexler: Metamorphosen der Macht. Marburg 2001, S. 105ff.; Johannes Fried: Die Formierung Europas 840–1046. 3. Auflage. München 2008, S. 73ff.; Heike Grahn-Hoeck: Die fränkische Oberschicht im 6. Jahrhundert. Sigmaringen 1976, passim; Werner Hechberger: Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter. München 2010, S. 15f. und S. 65; Reinhold Kaiser: Das römische Erbe und das Merowingerreich. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. München 2004, S. 30ff.; Reinhard Schneider: Das Frankenreich. 4. aktualisierte Auflage. München 2001, S. 77f.; Stefan Weinfurter: Das Reich im Mittelalter. München 2008, S. 87, 116 und 131.
  3. Vgl. Bernd Schneidmüller: Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter. In: Paul-Joachim Heinig (Hrsg.): Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw. Berlin 2000, S. 53–87.